Sonntag, 4. Dezember 2011

Vielgeliebtes Österreich!

Dichter Franzobel macht sich so seine Gedanken zu einer politisch korrekten Bundeshymne.

Trotz aller wirtschaftlichen und politischen Krisen tobt in Österreich, so als ob es sonst kein Thema gäbe, ein erbitterter Streit um die politische Korrektheit der Bundeshymne. Zu den Söhnen wurden nun auch die Töchter reklamiert und die Brüderchöre werden, um die Schwestern nicht zu vergrämen, auf Beschluss des Nationalrates in Jubelchöre umbenannt. Aber damit ist es längst noch nicht getan, bei genauerem Hinsehen muss man einräumen, dass der 1946 durch Paula vor Preradovic verfasste Liedtext völlig unzeitgemäß ist, ja, eine einzige politische Unkorrektheit darstellt.

Das beginnt schon mit der ersten Zeile. "Land der Berge, Land am Strome", heißt es da. Schon die Berge sind als Bevorzugung einer geologischen Ausrichtung kaum noch hinzunehmen, aber erst der Strom? Land an der Steckdose? Das diskriminiert Gaswerke, Ölfirmen, Kohlgruben, Kachelofensetzer und Pelletsproduzenten. Auch wenn es für die föderalen Elektrizitätswerke ein schwerer Schlag ist, muss es korrekt "Land der Energielieferanten und -verbraucher" lauten.

Land der Äcker? Kommen wir vom Acker? Besser wird das so wie in der Landschaft selbst durch "Parkplatz und Einkaufszentren" ersetzt. "Land der Dome" geht gar nicht mehr. Konkordat hin oder her. Was ist mit den Tempeln, Synagogen, Moscheen, Gebetshäusern, Fußballstadien, esoterischen Ritualplätzen? Was mit den Atheisten, Agnostikern und Anhängern des fliegenden Spaghettimonsters? Die Stelle muss in "Land der religiösen Vielfalt", oder, wenn man den Rhythmus beibehalten will, in "Land der Dolme" umbenannt werden.

"Land der Hämmer, zukunftsreich!" beschränkt die arbeitende Bevölkerung auf klopfende Handwerker. Oder will man sagen, dass die noch Arbeitenden einen Klopfer haben? Oder gar, dass die Verschuldung schon so hoch ist, bald das ganze Land unter den Hammer kommt? Hat es was mit Schnaps zu tun? Mit Techno-Beat? Jedenfalls schließt dieses "Hämmer" die vielen in Dienstleistungsbetrieben, der Kreativwirtschaft oder Verwaltung Beschäftigten ebenso aus wie alle anderen hammerlos Arbeitenden. Und was ist mit den Arbeitslosen, Pensionisten, Schülern, Studenten? Sollen das keine Österreicher sein? Zweckmäßiger wäre hier also "Land der Beitragszahler und Empfänger".

Dann kommt die umstrittene Passage mit den Söhnen, die in "Heimat bist du großer Söhne, Töchter, Hermaphroditen, transgender Personen, in der sexuellen Ausrichtung Unentschiedene und sonst welche Erben" umgetextet werden muss.

Als nächstes folgt "Volk, begnadet für das Schöne". Auch das kann so unmöglich bleiben. Die Bezeichnung Volk ist seit den Nazis als rassistisch diskreditiert. Nur, was gibt es für Alternativen? Staatsbürger? Bewohner? Der Nationalität angehörig oder sich zugehörig fühlend? Also "Land der Staatsbürger, Asylbewerber und Staatenlosen"? Und dann noch das kaum definierbare, auf subjektiver Empfindung beruhende Schöne? Was ist schön? Der österreichische Fußball? Der Musikantenstadl? Hansi Hinterseer? Klimt? Die Wiener Aktionisten? Jelinek? Es muss also "Land der vielfältigen Geschmacksausrichtung" heißen, wobei es sein kann, dass sich manche Schönheitsoperierten am Wörtchen vielfältig stoßen. Vielgerühmtes Österreich.

Dagegen ist die zweite Strophe, auch wenn sie martialisch anhebt, Herzschwache und private Zustelldienste diskreditiert, fast korrekt. "Heiß umfehdet, wild umstritten/ liegst dem Erdteil du inmitten/ einem starken Herzen gleich./ Hast seit frühen Ahnentagen/ hoher Sendung Last getragen,/ vielgeprüftes Österreich."

Richtig problematisch wird es erst wieder in der dritten Strophe, wenn es lautet "frei und gläubig sieh uns schreiten, arbeitsfroh und hoffnungsreich." Wieder werden die Ungläubigen und Nichtbeschäftigten ausgeschlossen, ebenso die Gefangenen und, was noch schlimmer ist, die Rollstuhlfahrer, die manisch Depressiven. Es folgt "einig lass in Brüderchören,/ Vaterland, dir Treue schwören". Um die Schwestern und Einzelkinder nicht zu benachteiligen, wird es bald "in Jubelchören" heißen. Aber was ist mit dem Vaterland? Sollte da nicht besser Eltern- und Patchworkfamilienland stehen? Vielgeliebtes Österreich.

Die politisch korrekte Hymne müsste also lauten: Land der Landschaften, Land der Energieversorger und -verbraucher,/ Land der Parkplätze und Einkaufszentren, Land der religiösen Vielfalt./ Land der Beitragszahler und Empfänger/ Heimat bist du großer Söhne, Töchter, Hermaphroditen, transgender Personen, in der sexuellen Ausrichtung Unentschiedene und sonst welche Erben./ Land der Staatsbürger, Asylbewerber und Staatenlosen, begnadet für die vielfältige Geschmacksausrichtung./ Vielgerühmtes Österreich. Usw.

Es versteht sich, dass dieser Text nicht mehr zur Melodie des alten Freimaurer-Bundesliedes "Brüder, reicht mir die Hand zum Bunde" gesungen werden kann. Entweder findet sich ein atonaler Komponist, der etwas Neues schreibt, oder man lässt doch alles beim Alten? Auch der Vorschlag, die Hymne durch "I am from Austria" zu ersetzen steht bereits im Raum. Aber da kann man gleich für "Rosamunde" oder den Vogerltanz votieren.

Ich musste das kopieren und nicht nur verlinken, wäre schade, wenn das mal verschwindet! Danke an die Kleine Zeitung und vor allem an Franzobel, ich hab jetzt Tränen gelacht!

Keine Kommentare: