Dienstag, 19. Juni 2012

Behindert!

Die Geschichte vom Rollstuhlfahrer

Ein Mail trudelt ins Haus, mit einem Foto eines recht feschen Herrn, der ein Kennenlernen herbeiführen möchte. Obs stört, dass er im Rollstuhl sitzt? Ich schreibe zurück und verneine.

Ab da beginnt ein spannender Mailverkehr, jeder erzählt über Tage und Wochen alles mögliche von sich selbst, berichtet vom Beruf, von der Arbeit, den Hobbys, den Befindlichkeiten. Und dann kommt der Tag, an dem er schreibt, dass er mich sofort sehen muss, am gleichen Tag noch bitte, die Zeit wäre reif. Ich erkundige mich, wie mobil er ist, wie er denn zu einem Treffpunkt fahren würde, wie das weiter gehen soll.

Er schreibt zurück, er würde nirgendwohin fahren, denn ich solle ihn besuchen. Er hätte eine ruhige, lauschige Wohnung in Wien, die Wohnungstüre würde er angelehnt lassen. In der Wohnung wäre dann alles verdunkelt, warmes Kerzenlicht aus unzähligen Gefäßen und Gläsern, der Weg ins Wohnzimmer gesäumt von Teelichtern.

Und jetzt kommts!

Im Wohnzimmer soll ich mich dann splitterfasernackt entkleiden und zu ihm ins Schlafzimmer kommen. Das ist seine Vorstellung für ein Kennenlernen? Besser er bestellt sich eine käufliche Dame, die macht das sicher. Ich sicher nicht.

Meine Gedanken drehen sich im Kreis, malen sich das Szenario aus.
Was, wenn er am Ende gar nicht im Rollstuhl sitzt?
Oder er gar nicht der ist, dessen Foto er mir geschickt hat?
Wenn er aussieht wie der Leibhaftige?
Dann würde ich splitterfaserundsoweiter da stehn und blöd schauen, haha!
Oder was, wenn er einfach nur ein BDSM-Anhänger ist, mich ans Bett fesseln will, damit er seine Spielchen mit mir spielen kann?
Oder vielleicht gar ein Frauenmörder?

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