Ist Wien auch ein Dorf?

7.15 h morgens und die Welt ist anscheinend noch in Ordnung. Statt den Bus oder die Straßenbahn zu nehmen, wandere ich durch die Neustiftgasse und wundere mich darüber, dass mir keine Menschen entgegen kommen. Oder Autos. Wien ist (noch) ausgestorben. Die einzigen offenen Geschäfte sind 3 Trafiken, die auf dem Weg zur Ubahn liegen, die Menschen scheinen morgens zu rauchen, aber nicht zu essen. Auch in der Ubahn erschreckend wenig Menschen. Erschreckend ist vielleicht der falsche Ausdruck, denn es ist eigentlich recht angenehm, dass sich niemand um mich rum befindet. Ich könnte Nähe gerade schwer ertragen. Vor allem Nähe von Morgenmenschen, von Ausdunst von sich gebenden. Hungrig und durstig und ungeduscht komm ich mir vor. Aber nach dem Spaziergang ist es besser, die frische (ha!) Luft hat mir doch gut getan.

Ich fahre ins Büro am Meiselmarkt, selbst der Markt ist noch verlassen, die Tandler bauen eben erst ihr Gemüse in wunderschönen Schichten auf. Melancholisch gestimmt decke ich mich mit Nahrung ein und betrete den Aufzug, es wird wohl einer der letzten Besuche hier werden, das Büro wird gerade aufgelassen und das Durcheinander hier spiegelt mein Innerstes wieder.

Ach ja, witzigerweise beginnt der Morgen am Meiselmarkt genauso, wie der gestrige Abend. Exakt die gleiche Frau (mit einem Rollator) steigt zu mir in den Aufzug und das Karrussel kann sich weiter drehen. Das gibts ja nicht!